Tourismus und Social Media:Schöne Grüße aus dem Instagram-Hotel

Tourismus und Social Media: Einst langweiliges Hotel, nun angesagtes Haus mit Pool auf dem Dach: Das Downtown Camper in Stockholm.

Einst langweiliges Hotel, nun angesagtes Haus mit Pool auf dem Dach: Das Downtown Camper in Stockholm.

(Foto: Downtown Camper Hotel/Instagram)

Viele Reisende posten in bunten Bildern, wie stilvoll sie übernachten. Hotels werden jetzt schon entsprechend geplant.

Von Evelyn Pschak

In digitaler Hinsicht ist der Norweger Erik Nissen Johansen ganz weit vorne dabei: Sogar sein Kater hat einen eigenen Instagram-Zugang. Kein Wunder also, dass der Hoteldesigner auch in seinem Beruf auf Instagram-Tauglichkeit achtet. Johansen ist als Kreativdirektor der Agentur Stylt für Hospitality Design mit Sitz in Göteborg verantwortlich für das Aussehen von mehr als 400 Restaurants und 250 Hotels weltweit. "Bei der Planung habe ich immer den perfekten Fotowinkel mit im Kopf", sagt der 53-Jährige.

Seit immer mehr Gäste Fotos von ihrem Hotel auf der Internet-Plattform Instagram posten, passt sich auch die Branche an. Viele Hotels werden mittlerweile eigens so gestaltet, dass sie instagramtauglich sind - also möglichst gut fotografierbar, sodass es auch auf den quadratischen Kacheln in der Startansicht stylish aussieht. Das nennt sich dann "Instagrammability".

Erik Nissen Johansen hat gerade das Downtown Camper by Scandic in Stockholm umgewandelt. Vom, wie er behauptet, "langweiligsten Hotel der Stadt in ein inspirierendes Base Camp für urbane Erkundungen". Das Team setzte ein zusätzliches Stockwerk auf den Bau, der jetzt einen Infinity Pool hat. Dort planschen die Gäste mit dem königlichen Schloss im Hintergrund "an einem der instagramtauglichsten Selfie-Orte in Stockholm", so der Gestalter.

Tourismus und Social Media: Zufällig ist hier nichts: Aufnahme eines Details des Stamba Hotels in Tiflis.

Zufällig ist hier nichts: Aufnahme eines Details des Stamba Hotels in Tiflis.

(Foto: Stamba Hotel/Instagram)

Gerade bei den Millennials sind auf Instagram gepostete Hotelfotos nicht selten der Grund, ein Ziel anzusteuern. Der Ferienhaus-Versicherer Schofields Insurance hat im vergangenen Jahr mehr als 1000 Briten im Alter zwischen 18 und 33 Jahren befragt, anhand welcher Kriterien sie ihren Urlaubsort auswählen. 24 Prozent gaben "Erreichbarkeit von Alkohol" an, Sightseeing spielte mit vier Prozent offenbar keine große Rolle. Wohingegen 40 Prozent die "Instagrammability" ihres Ziels wichtig war. "Prestige bemisst sich heutzutage eben nicht mehr an teuren Uhren, sondern an Erfahrungen, die man Freunden voraus hat und um die sie einen beneiden", sagt Johansen.

So scheint das Glück vieler junger Reisender darin zu bestehen, verschlagwortete Orte abzuklappern - und dies durch exakte Nachahmung von Positionen und Posen aus den sogenannten sozialen Medien wie Instagram, das zu Facebook gehört, oder auch der Google-Video-Plattform Youtube zu beweisen. Hoteliers, die dem Anspruch von solchen Gästen, aber auch von Influencern genügen wollen, die Fotos in ihre oft von Zehntausenden Menschen abonnierten Accounts hochladen, tun derzeit gut daran, Zimmer und Lobby mit Estrich, Sukkulenten und geflochtenen Schalensesseln in schreienden Farben auszustatten. Oder freistehende Badewannen vor Panoramasichtfenstern zu platzieren. Im Hintergrund braucht es irgendetwas Knalliges, ein Wandgraffiti lokaler Street-Art-Künstler etwa oder ein sechs Meter langes Modell der Concorde von einem Pariser Flohmarkt, wie es Johansen im jüngst eröffneten 25-Hours-Hotel "Das Tour" in Düsseldorf aufhängen ließ.

Tourismus und Social Media: Den Innenhof mit Pool eines Riads in Marrakesch besuchen viele Touristen, nur um ihn zu fotografieren.

Den Innenhof mit Pool eines Riads in Marrakesch besuchen viele Touristen, nur um ihn zu fotografieren.

(Foto: Riad BE Marrakech/Instagram)

Inzwischen gibt es sogar einen Instagram-Account, der sich Insta Repeat nennt und wiederholt auftretende Motive zu großen Clustern zusammenfügt: Das immer gleiche wolkenverhangene Kliff mit einem einzelnen Menschen an seiner Spitze. Die immer gleiche runde Zeltöffnung, die ein Stück atemberaubende Natur rahmt. Der "Shoefie" - nach unten auf die eigenen Schuhe. Das dürfen dann gern auch die Wanderstiefel vor dem Horseshoe Bend des Colorado Rivers in Arizona sein.

Insta Repeat zeigt vorrangig Außenaufnahmen, doch bei den Hotelfotos würde diese Clusterbildung genauso funktionieren. Erst vor ein paar Monaten eröffnete etwa das Stamba Hotel in Tiflis in Georgien. Die grauen Betonskelette des brutalistischen Baus, Schlagschatten auf dem strengen Schwarz-Weiß der geometrischen Bodenfliesen, die dicht gefüllten Regale einer XXL-Bücherwand zeugen von der Lust am Repetitiven. "Der Mensch nimmt Informationen gerne visuell auf. Instagram bedient diese Neigung", lautet die lapidare Erklärung von Ia Chekheria, einer jungen Architektin der Adjara Group, die für das Stamba Hotel verantwortlich zeichnet.

Tourismus und Social Media: Brutalistische Architektur, gut fotografiert: das Stamba Hotel.

Brutalistische Architektur, gut fotografiert: das Stamba Hotel.

(Foto: Stamba Hotel/Instagram)

Dabei sollte jedem klar sein, dass Instagram zunehmend zu einer Marketingplattform wird, wo Menschen auch gegen Bezahlung möglichst schöne Fotos und kurze Texte einstellen. Erst im Juni gab es ein Urteil des Berliner Landgerichts, wonach Instagram-Links zu anderen Unternehmen und Marken als Werbung gekennzeichnet werden müssen. Zur wirklichen Information über ein Hotel oder eine Urlaubsdestination taugt die Plattform also eher nicht. Da seien Tripadvisor oder Holidaycheck mit vielen Bewertungen deutlich objektiver, sagt Michael Buller, Vorstand des Verbandes Internet-Reisevertrieb (VIR). "Die Menschen informieren sich heute über verschiedenste Plattformen zu ihrem Urlaubsziel, die Instagram-Bilder geben auf der letzten Meile vielleicht den Ausschlag, ob dieses oder jenes Hotel gebucht wird."

Dauerbrenner-Orte wie die Kykladeninsel Santorin mussten für ihre touristische Entdeckung nicht erst auf Instagram warten. Der Blick auf weiß gemauerte Rundpools taugt fast schon zum eigenen Topos. "Wir wissen nicht, wie viele Touristen aufgrund von Social Media nach Santorin reisen", sagt der Bürgermeister von Thira, Nikos Zorzos. "Wir arbeiten aber daran, das herauszufinden."

"Das Phänomen Instagram ist Segen und Fluch zugleich", sagt Nicole Billi. Die 39-jährige Züricherin hat 2014 mit ihrem Partner Mohamed Bousaadi den Riad BE in Marrakesch eröffnet. Ihr Zehn-Zimmer-Haus ist ein Instagram-Liebling - vor allem der Pool im mintgrünen Innenhof, an dessen Rand mit bunten Mosaiken schon unzählige Babouches-Pantoffeln und Strohhüte abgelichtet wurden. Nie hätten sie erwartet, dass sie mit ihrem kleinen Hotel eine solche Instagram-Welle auslösen würden, sagt Billi erstaunt. Aber eine Kehrseite gebe es eben auch: "Viele Marrakesch-Besucher möchten unseren Riad sehen und das eine Bild im Patio schießen. Das wiederum stört unsere Gäste, die für ihren Aufenthalt bei uns bezahlen." Die Besitzer haben eine Regelung gefunden, wie sie dem Ansturm Herr werden: "Inzwischen muss jeder, der uns besuchen möchte, sich zuerst via E-Mail anmelden. So können wir kontrollieren, dass es nicht zu viele Besucher auf einmal werden." Ganz untersagen wollten die Riad-Besitzer den Zutritt nicht. Schließlich machen ja auch jene Urlauber Werbung für sie, die Kosten sparen wollen, aber trotzdem ein eigenes Riad-Foto hochladen.

Billi und Bousaadi posten selbst täglich ein Bild ihres Riads. "Wir haben mehr als 8000 Profilbesuche pro Woche und 300 Homepage-Besuche pro Tag", sagt Billi. Seit sie auf Instagram so stark vertreten sind, hätten auch die Buchungsaktivitäten stark zugenommen. Viele Gäste senden ihre Anfrage inzwischen direkt über das instagraminterne Nachrichtenprogramm Direct Messaging: "Mittlerweile erhalten wir darüber 50 Prozent unserer Buchungsanfragen."

Es gibt aber auch Instagrammer, die gegen den Strom schwimmen. Jannik Obenhoff zum Beispiel. Das Reise-Instagram-Konto des 18-jährigen Münchners ist mit 763 000 Abonnenten eines der einflussreichsten. Obenhoff zeigt vor allem Naturaufnahmen. Wenn aber ein Haus abgebildet wird, dann garantiert ohne Adresse. Die gibt er nicht preis, selbst wenn die Abonnenten noch so hartnäckig nachfragen. Warum? Er wolle, sagt Obenhoff, verhindern, dass "Locations durch die Bilder auf Instagram zu überlaufen werden, weil alle dorthin wollen, um eben dieses Bild nachzumachen."

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